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Kann PTBS bei aus dem Einsatz zurückgekehrten Soldaten Thema eines Kinderbuchs sein? Oh ja! Wenn man


PTBS: Wenn Vati heimkommt und nicht mehr lachen kann ....

Ich war immer sicher, dass eine gute pädagogische Absicht fast unweigerlich ein schlechtes Kinderbuch hervorbringt. Und dass wir in Deutschland eine geradezu erschlagende Tradition der guten pädagogischen Absichten haben. Auf Kosten jeder ästhetischen Qualität will sie Kindern vermitteln, dass man den Müll trennen und freundlich zu Ausländern sein soll; dass es normal ist, zwei Mütter oder zwei Väter zu haben und dass man Atomkraft und Faschismus verhindern soll. Was ja alles richtig ist, aber eben nicht unbedingt für die besten Erzählungen sorgt.

Jetzt ist mir ein Gegenbeispiel in die Hände gefallen. Das Buch heißt "Schattige Plätzchen", es ist ein Bilderbuch über die Posttraumatische Belastungsstörung (PTBS) und wurde in einer Zusammenarbeit des Evangelischen Kirchenamtes der Bundeswehr und des Traumazentrums Berlin entwickelt. Oha, könnte man denken, didaktischer geht's doch sicher nicht. Aber die Autorin Kathrin Schrocke und die Illustratorin Lilli L'Arronge haben ein kleines Kunstwerk geschaffen.

Eine ganz klare, reduzierte Erzählung in moderner Bildsprache, die nicht "betroffen machen" will, sondern – berührt. Der Papa kommt aus dem Einsatz zurück (und ich bin dankbar, dass es in diesem Fall nicht aus PC-Gründen die Mama sein muss, es sind einfach weit weniger Frauen als Männer im Einsatz). Jedenfalls, er kommt zurück, und er ist verändert. Früher hat er gelacht, mit den Kindern getobt und Witze gemacht – jetzt ist er still, depressiv, verzweifelt. Er erschrickt bei lauten Geräuschen, er bekommt unkontrollierte Wutanfälle.

Vater wütet, das Kind ist verstört

Autorin und Illustratorin spielen gekonnt mit Vorher-Nachher-Effekten: Wir bekommen gar nicht zu sehen, wie der Vater wütet. Aber wir sehen den umgeworfenen Küchenstuhl, das in der Ecke kauernde Kind. Ein Kind, das den Vater nicht wiedererkennt, aber schlimmer noch: ein Kind, das sich selbst die Schuld an dessen verstörendem Verhalten gibt.

Zentral sind zwei Doppelseiten: Auf der einen sieht man ein fröhliches Geburtstagspicknick im Wald. Dann platzt ein Luftballon, und der Wald ist plötzlich nicht mehr hell und grün, sondern mündungsfeuerrot, man sieht nicht mehr die Schatten der Bäume, sondern die Schatten von Hubschraubern und Gewehrläufen.

Weil es ein gutes Kinderbuch ist, hat es eine Art Happy End. Der Vater kommt in eine Klinik, es geht ihm etwas besser, das Kind weiß: Das dauert noch, aber ich bin nicht schuld. Sogar einen Witz macht der Vater am Ende wieder, auf eben jener Waldlichtung, auf der der Zusammenbruch stattgefunden hatte: Was ist ein Keks unter einem Baum? Ein schattiges Plätzchen. Ich habe nicht oft geweint bei deutschen Kinderbüchern. Bei diesem schon.


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